„ Pflanzen sind immer schon wertvolle Lehrmeister für Menschen,
die die Welt tiefergehend verstehen wollen und Seelennahrung suchen,
die es nur in der unbeeinflussten Natur zu finden gibt.“
frei nach Stephen Harrod Buhner
Seit Menschengedenken gibt es Pflanzen und sie haben sich im Laufe der Menschheitsentwicklung auch immer neben dem Menschen entwickelt. Diese ortsständigen photosythesetreibenden Lebewesen üben eine besondere Faszination auf den Menschen aus, ob nun als riesige Bäume oder als blühende Blumen. Pflanzen sind aus dem menschlichen Leben nicht wegzudenken. Sie dienen in vielfältiger Form als Nahrung, liefern Rohstoffe für die unterschiedlichsten Industriezweige und selbstverständlich werden sie in Allopathie und Homöopathie als Heilmittel verwendet.
Für mich begann die Reise zum tieferen Verständnis der Pflanzen, als ich 2002 Dr. Rajan Sankaran beim Schreiben seiner Bücher „Einblicke ins Pflanzenreich“ half. Meine Aufgabe war es, die Empfindung jedes einzelnen Heilmittels und seiner Familie aus verschiedenen Quellen der alten und neuen Materia Medica, der Repertorien und der Prüfungen zu studieren und in einen Gesamtzusammenhang zu bringen. Schon damals habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, jedes Heilmittel aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Nach Abschluss meiner Arbeit an den Büchern schrieb mir Dr. Sankaran: "Mögest du wie eine Pflanze auf gutem Boden und in guter Luft wachsen und dein volles Potenzial entfalten".
Nach dieser Arbeit entwickelte ich über 16 Jahre das neuartige Konzept des „Case witnessing process“, einer neuartigen Anamnesetechnik bei der man wie ein neutraler Zeuge den Prozess des Patienten zu sich selbst und seinen Krankheitszustand bezeugt. Im ersten Schritt entstand die Klarheit, dass der jeweilige Fall auf ganzheitlicher Ebene verstanden werden musste, die Schlüsselsymptome sich also in mehr als einem Erlebensbereich des Patienten zeigen müssen. Darauf folgte das integrative Prinzip, also das Hinzuziehen von allen existierenden methodischen Ansätzen in der homöopathischen Fallaufnahme je nach Erfordernis des Falles. Im dritten Entwicklungsschritt erweiterte ich die schon vor vielen Jahren gemachte Erfahrung zu dem Grundsatz, dass ich Informationen zum Fall- und Arzneimittelverständnis aus den unterschiedlichsten Quellen, also mehrdimensional, benötige, um das Erleben des Patienten im Krankheitsprozess mit dem Arzneimittelbild in Deckung zu bringen.
Im Jahr 2016, während ich mich von einer schweren Krankheit erholte, wurden innerhalb der Homöopathenschaft weltweit viele neue Ideen und Theorien zum Pflanzenverständnis in der Homöopathie entwickelt und veröffentlicht. Inspiriert durch diese neuen Aspekte und mit meinem differenzierten Anamnesekonzept im Hintergrund beschäftigte ich mich wieder intensiv mit den Pflanzen. Mir wurde schnell klar, dass viele dieser neuen Ideen auf einem individuellen Verständnis eines bestimmten Themas der Pflanze oder Pflanzengruppe beruhten, aber ein umfassendes Verständnis fehlte.
Ich glaube fest an das universelle Gesetz des Holismus, das besagt, dass innerhalb eines Systems immer für einen Teil genau gleiches gelten muss, wie für jeden anderen Teil. Meine Hypothese bestand nun darin, dass auf die gleiche Art, wie durch den ganzheitlichen integrativen mehrdimensionalen Ansatz in der Fallaufnahme beim Patienten der wesentliche Kern seiner Erkrankung herausgearbeitet wird, ebenso im Pflanzenreich (und auch in den anderen Königreichen) ein wesentlicher Kern zu jeder Pflanzengruppe bzw. jeder Art zu bestimmen sein müsste.
Mit dieser Theorie begann meine erneute Forschung zu den pflanzlichen Heilmitteln. Ich machte es mir zur Aufgabe, ein bestimmtes Heilmittel unter allen Aspekten kennenzulernen und begann, die Klassifizierung von Pflanzen zu verstehen mit ihren Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten. Ich erforschte die bekannten und gewöhnlichen Heilmittel und arbeitete mich zu den unbekannten Pflanzen(familien) vor. Durch Aneignung von Kenntnissen aus der Biologie, der Chemie, Forschungsergebnissen der modernen Medizin, der Mythologie, der Materia Medica, den Arzneimittelprüfungen und den Repertorien konnte ich nach und nach einen gemeinsamen roten Faden in den Pflanzenfamilien erkennen und kam zu einem ganzheitlichen Verständnis der Heilmittel.
Während eines Seminars in der seit 30 Jahren bestehenden Schule für Homöopathie von Misha Norland (Mani Norland) in Strout traf ich Jeremy Sherr und Frans Vermeulen. Nach unseren Vorträgen gingen wir gemeinsam spazieren. Frans Vermeulen brachte seine Wertschätzung für den integrativen ganzheitlichen Ansatz in der Homöopathie zum Ausdruck, über den ich gesprochen hatte. Er überlegte, mein Konzept für ein besseres Verständnis der Materia Medica einzusetzen. Es müsste große Klarheit im Verständnis der Heilmittel entstehen, wenn man eine ebenso individuelle Empfindung, die man im Patientenfall in ein ganzheitliches Verständnis bringt, auch im Heilmittel beschreiben könnte. Er kündigte an, seine Werke Prisma und Synoptic Materia Medica aus dieser Perspektive zu aktualisieren. In den frisch herausgegebenen Ausgaben wurden bereits ganzheitliche Symptome integriert.
Dies war ein gewaltiger Anstoß für mich, die Mammutaufgabe, das Pflanzenreich zu verstehen, in Angriff zu nehmen und „thus spoke the plants“ zu deutsch: so sprachen mich die Pflanzen an…!
Auf folgende fünf Aspekte fokussierte ich meine Studien:
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Was ist das Gemeinsame zwischen Gemütssymptomen, Allgemeinsymptomen und charakteristischen Lokalsymptomen in neueren Materia Medicae wie Phatak und Clarke
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Welches ist die allgemeine Empfindung, die sowohl auf der allgemeinkörperlichen als auch auf der charakteristischen lokalen Ebene abläuft? Nachzulesen zum Beispiel in Bogers Synoptic key
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Was sind die Leitsymptome des Heilmittels? Referenzen z.B. Allens Key Notes, Morrisons Desktop-Guide to homeopathy
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Einzelne Rubriken z.B. aus Lippes keynotes and redline symptoms, Homöopathische Software-Repertorien wie MacRepertory
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Gibt es eine Gemeinsamkeit innerhalb der Verstandesfunktionen wie Denken, Wahrnehmung, Emotionen, Ängsten und Träumen? Referenzen verschiedene thematische Materia Medicae, andere Nachschlagewerke
Als ich begann mit diesen Fragen im Hinterkopf die Literatur zu studieren, wurde das Verständnis der höheren Ordnungen in der Pflanzenwelt mit all ihren Unterdifferenzierungen bis zu jedem einzelnen Heilmittel in mir lebendig - durch den ganzheitlichen, integrativen und mehrdimensionalen Blick.